Die grössten Herausforderungen für die BFI-Landschaft bis 2035

April 24, 2025
from Tanja Stadler
#Bildungspolitik #Forschungspolitik #Innovationspolitik #german

Tanja Stadler benennt die drei grössten Herausforderungen aus ihrer Perspektive – in einem Beitrag zum 60-Jahre-Jubiläum des SWR.

Dialog mit der Gesellschaft in einer Welt im Wandel

Aufgabe der Wissenschaft ist es, neue Erkenntnisse und Fakten zu liefern. Diese Fakten sind nicht Meinungen, auch wenn dies manchmal auf Social Media suggeriert wird. Wir Forschenden sind gefordert, wissenschaftliche Erkenntnisse und Fakten verständlich zu vermitteln und von persönlichen Meinungen abzugrenzen. Dazu gehört auch, dass wir erklären, wie Wissenschaft funktioniert - gerade weil oftmals schnelle, eindeutige Antworten verlangt werden, aber diese (noch) nicht zur Verfügung stehen. Wann immer nötig, muss Fehlinformationen mutig – mit Fakten – entgegengetreten werden. Die Wissenschaft hilft so, ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln und damit Brücken zwischen Forschung, Gesellschaft und Politik zu bauen. Damit werden Demokratien gestärkt - denn Demokratien brauchen informierte und kritisch denkende Bürger:innen. 

Wissensstandort Schweiz auch in finanziell schwierigen Zeiten stärken

Gleich zwei wesentliche Punkte geraten mit immer weitergehenden Sparmassnahmen vermehrt unter Druck. Zum einen die exzellente Bildung für alle. Wir sollten sicherstellen, dass junge Menschen in der Schweiz unabhängig vom sozioökonomischen Hintergrund auch in Zukunft studieren können. Studierende sind eine wertvolle und zentrale Investition in unsere Zukunft, sie werden gebraucht in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft. Zum anderen die Forschungsfreiheit. Die stark von der öffentlichen Hand finanzierte Forschungslandschaft stellt die akademische Unabhängigkeit sicher. Weitere Sparmassnahmen bergen die Gefahr, dass Forschungsprogramme von kommerziellen Geldgebern abhängig werden und die Wissenschaft nicht mehr im Dienste der Gesellschaft steht. Die Schweiz hat momentan mit der exzellenten Bildungs- und Forschungslandschaft einen wertvollen Standortvorteil. In schwierigen Zeiten stehen wir nun als Gesellschaft vor der ganz konkreten Frage, wie viel uns Bildung und Forschung wert ist und ob wir diesen Standortvorteil preis geben wollen.

In der Akademie einen Kulturwandel vollziehen

Wir haben in den letzten Jahren einen gesellschaftlichen Umbruch erlebt, der längst das akademische Umfeld erreicht hat. So sind Forschungsgruppen heute vielfältiger und die Ansprüche an die Führungspersonen gestiegen. Diese Entwicklungen haben viele Vorteile, auch wenn es natürlich Reibungsflächen gibt und einige diesen Wandel manchmal auch als anstrengend erleben. Wir sollten uns also fragen, was das eigentliche Ziel dieses Kulturwandels ist: Es geht darum, exzellente Forschung in einem inspirierenden, wertschätzenden und für alle bereichernden Arbeitsumfeld voranzutreiben. Das bedeutet auch, dass wir voneinander lernen: Wir sollten einerseits den Studierenden vermitteln – oder besser – sie dafür begeistern können, warum es in der Spitzenforschung manchmal Extrameilen braucht; andererseits können wir alle gerade auch im Dialog mit der jungen Generation zu Wertschätzung, Respekt und persönlichen Freiheiten lernen. Diverse Teams haben nachweislich eine bessere Performance – wir alle werden also vom Kulturwandel profitieren. 

Tanja Stadler
Tanja Stadler ist Professorin am Departement für Biosysteme der ETH Zürich. Während der COVID-19-Pandemie hat sie ab 2021 die wissenschaftliche Task Force des Bundes geleitet.